In diesem Zusammenhang wird in jüngster Zeit eine neue Sprachregelung eingeführt. Bis vor etwa zwei Jahren war man sich noch einig, da▀ die Universitäten und Hochschulen an einer bedenklichen Unterfinanzierung leiden, weil seit der Einfüh-rung des Öffnungsbeschlusses im Jahre 1977 die Zahl der Studierenden sich nahezu verdoppelt hatte, die Zahl der Lehrenden aber fast gleichgeblieben war und der Anteil der Nettoausgaben für die Hoch-schulen am Bruttosozialprodukt von 1,32 % im Jahre 1975 um fast ein Drittel gesunken war. Neuer-dings steht die Unterfinanzierung nicht mehr zur Diskussion. Statt dessen wird von den Professo-ren mehr Leistung eingefordert, ganz so, als wäre die Ausbildung einer verdoppelten Studierendenzahl und die Wahrung des Forschungsniveaus durch eine Leistungsverweigerung erbracht worden. Welche grotesken Lö-sungen ein konsequent ökonomisches Denken nunmehr ins Auge fa▀t, zeigt u.a. die Rechnung von Wolfgang Mönikes, Lei-ter des Grundsatzreferats der Hochschulabteilung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, For-schung und Technik: "An den deutschen Universitäten gibt es (...) bis zu 14.000 mehr Planstellen für wissenschaftliches Personal als nach den herkömmlichen Grundsätzen erforderlich, gleichzeitig fehlen an den Fachhochschulen bis zu 6.000. Im privatwirtschaftlichen Bereich wird heute mit Selbstverständlichkeit ein Produktivitätsfortschritt in einer jährlichen Grö▀enordnung von zwei bis drei Prozent erwartet, im Hochschulbereich wird diese Notwendigkeit nicht einmal diskutiert. Würde man an den Hochschulbereich eine annäherungsweise vergleichbare Erwartung richten und den Anstieg der Studienanfänger in Relation setzen zum Personalzuwachs, so dürfte spätestens ab 1994 nicht mehr von Überlast gesprochen werden." (Süddeutsche Zeitung vom 7./8.12.1996)
Wo der Wissenschaftsrat noch 2.400 zusätzliche Stellen für erforderlich hielt, wird so ein Überhang von 8.000 Stellen konstatiert und ein obskurer 'Produktivitätsfortschritt' eingefordert.
Das bedeutet nicht, da▀ über eine bessere Nutzung der knappen Mittel nicht nachzudenken wäre. Kurzstudiengänge und neue Leistungsprofile sind sicherlich notwendig, wenn ein immer grö▀erer Anteil der Altersjahrgänge ein Studium aufnimmt. Sie sind allerdings schwer durchzusetzen, wenn schon die geringste Veränderung von Prüfungsordnungen eine jahrelange Genehmigungsfrist beansprucht. Und zweifellos ist es sinnvoll, berufsqualifizierendes Studium durch Aufbaustudien nach Phasen der Berufstätigkeit zu ergänzen. Nur dient ein solches Modell im Augenblick lediglich dazu, eine verkürzte Studienzeit einzufordern. Niemand kann und will garantieren, da▀ auf diese Weise nicht eine Generation um ihre Bildungschancen betrogen wird. Aberwitzig ist auch die Konstellation, da▀ durch den Öffnungsbeschlu▀ die Universitäten gezwungen sind, abgewiesene Fachhochschulbewerber in gro▀er Zahl aufzunehmen. Erst wenn solche Mi▀stände beseitigt werden, ist eine weitreichende Studien- und Universitätsreform zu verantworten.
Universitäten sind wie alle gesellschaftlichen Einrichtungen Teil des allgemeinen Wirtschaftskreislaufs und unterliegen natürlich insofern auch einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Ihrer Funktion nach aber können sie nicht nur auf speziell wirtschaftliche Interessen ausgerichtet sein. Was Universitäten forschen und lehren, mu▀ sich der eindimensionalen Steuerung durch die 'Nutzen'-Vorstellungen der Wirtschaft entziehen. Die systemtheoretisch verengte Perspektive des homo oeconomicus darf nicht den Blick verstellen. Alle gesellschaftlichen Belange sind in den Universitäten zunächst einmal gleichberechtigt, auch jene, die nicht das vermeintlich immer stärkere Argument ökonomischer Kraft für sich haben. Solange sich die soziale Funktion der Universitäten als Gemeinschaftsaufgabe darstellt, steht es den Universitäten gut an, konzeptionell ihre Tradition als Freiraum innovativer Wissensschöpfung und Wissensvermittlung zu verteidigen. Da▀ dabei organisatorisch im Innern zugleich auch ökonomische Rationalität walten mu▀, versteht sich von selbst.
Bildung und Wissen sind bei uns traditionell sehr hohe Werte, aber keine Waren, keine geldwerten Güter und nichts, was so einfach über vorhandene oder herzustellende Märkte vertrieben werden kann. Deshalb halten wir die Universitäten für nur bedingt ökonomisierungsfähig. Auf keinen Fall dürfen sie der Wirtschaft ausgeliefert werden, wie das in verschiedenen Denkmodellen propagiert wird. Es ist ein merkwürdiges Verständnis von Autonomie, wenn die Universitäten zwar aus Gründen einer nicht korrigierbaren Unterfinanzierung aus der Bevormundung des Staates ent-lassen, dafür aber zugleich der viel effektiveren Bevormundung durch die Wirtschaft ausgeliefert werden.
Wenn man sich auf das amerikanische Vorbild beruft, so sollte man nicht vergessen, da▀ es dort die Geldgeber sind, die Management- und Aufsichtsratsfunktionen wahrnehmen. Hier in Deutschland wird hingegen in manchen Bundesländern an eine Teilprivatisierung - z.B. durch Einbindung von Mangern - gedacht, bei der zuvor von der Wirtschaft keine Besitztitel erworben werden müssen. Vertreter der Wirtschaft sind deshalb in der Universitätsleitung auf diese Weise nicht am Platze. Gleichwohl ver-langt die aus der Not geborene neue Haushaltsautonomie wirtschaftlichen Sachverstand. Es sind also betriebswirtschaftlich geschulte und volkswirtschaftlich denkende Fachleute mit entsprechen-den Aufgaben zu betrauen, so wie ja die Universität schon bisher nicht ohne gute Juristen auskom-men konnte.
Im Moment ist realistischerweise nicht mit einer völligen Neuorientierung zu rechnen. Man sollte die Ökonomisierungsfrage daher nüchtern und pragmatisch betrachten.
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